Einst fragte ein Schüler seinen Meister Lü Buwei: „Meister, was geschieht, wenn ein Reich dem Untergang geweiht ist?“
Der Meister antwortete: „Wenn ein Reich zerfällt, erkennt man dies nicht zuerst an seinen Mauern oder seinen Soldaten. Die ersten, die gehen, sind die Weisen.“
Der Schüler war verwirrt und fragte weiter: „Warum verlassen die Weisen das Reich, wenn es in Gefahr ist? Sollten sie nicht bleiben und helfen?“
Der Meister lächelte sanft und sprach: „Die Weisen spüren, wenn der Boden der Wahrheit brüchig wird. Sie sehen, wie Habgier, Täuschung und Ungerechtigkeit sich ausbreiten. Wenn die Wurzeln der Weisheit vertrocknen und die Luft von falschen Lehren erfüllt ist, erkennen sie, dass ihr Wirken vergeblich geworden ist. Dann gehen sie, nicht aus Furcht, sondern weil ihre Worte keine Wurzeln mehr schlagen können.“
Der Schüler fragte: „Meister, wie kann man verhindern, dass ein Reich zerfällt?“
Der Meister sprach: „Solange die Weisen gehört werden und ihre Worte geschätzt sind, kann das Reich bestehen. Doch wenn Stolz, Neid und falsche Ehre die Oberhand gewinnen, wird selbst das stärkste Reich zerbrechen. Und die Weisen werden schweigend in die Berge ziehen, wo ihre Weisheit noch Gehör findet.“
Der Schüler senkte den Kopf in stillem Nachdenken. Er verstand, dass ein Reich nicht an seiner Grösse oder Macht gemessen wird, sondern daran, ob es in der Lage ist, die Weisheit seiner Weisen zu bewahren.
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