In einem Zen-Kloster lebte ein junger Mönch, der jeden Morgen damit beauftragt war, die Gen-mai-Suppe für die Gemeinschaft zu kochen. Er führte diese Aufgabe mit grösster Sorgfalt aus, doch eines Tages fragte er sich: „Warum widme ich so viel Zeit und Energie einer einfachen Reissuppe? Ist diese Handlung wirklich von Bedeutung für meinen Weg zur Erleuchtung?“
Verwirrt ging er zu seinem Meister und fragte: „Meister, warum ist es so wichtig, dass ich die Gen-mai mit solcher Präzision koche? Ist dies nicht eine banale Handlung? Sollte ich nicht meine Zeit mit Zuòchán verbringen, um Erleuchtung zu finden?“
Der Meister, ein Nachfolger der Lehren Dōgens, schaute den jungen Mönch an, lächelte und antwortete: „Wenn die Gen-mai echt ist, wird alles echt. Wenn alle Handlungen des Lebens echt sind, wird auch die Gen-mai echt.“
Der Mönch verstand die Worte nicht ganz und fragte weiter: „Aber Meister, was bedeutet es, dass die Gen-mai echt ist?“
Der Meister führte den Mönch in die Küche und zeigte ihm den Topf mit der köchelnden Reissuppe. „Wenn du diese Gen-mai mit Achtsamkeit und Hingabe kochst, dann ist sie nicht nur eine Mahlzeit, sondern eine Praxis. Es gibt keinen Unterschied zwischen Zuòchán und dem Kochen, wenn beides mit echtem Bewusstsein ausgeführt wird. Die Frage ist nicht, ob die Gen-mai wichtig ist, sondern ob du in jeder Handlung deines Lebens den wahren Geist der Praxis findest.“
Der Mönch dachte lange über diese Worte nach, und am nächsten Morgen bereitete er die Gen-mai mit einem neuen Verständnis zu. Während er die Reiskörner wusch, fühlte er die Kühle des Wassers. Beim Rühren der Suppe roch er den Duft von Achtsamkeit, und als die Gemeinschaft schliesslich das Essen empfing, sah er die Dankbarkeit in ihren Gesichtern.
Von da an verstand er: In der Echtheit jeder Handlung, sei es das Kochen, Putzen oder Meditieren, liegt der wahre Weg zur Erleuchtung.
Kommentar:
Diese Geschichte basiert auf der Lehre, dass es keinen Unterschied zwischen den „grossen“ und „kleinen“ Handlungen im Leben gibt, wenn sie mit voller Achtsamkeit ausgeführt werden. Das Kochen von Gen-mai kann ebenso eine Form von Chán-Praxis sein wie das Meditieren, wenn es mit Hingabe und Bewusstsein getan wird. Das tägliche Leben selbst wird zur spirituellen Praxis, wenn jede Handlung „echt“ ist.

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